Initiativen: Aktionskreis Windenergie Hilgert 

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Eine Beschreibung der derzeit bestehenden rechtlichen Situation


Kaum eine bauliche Nutzung wirft aktuell derart viele Fragestellungen und Probleme auf, wie die Zulassung von Windkraftanlagen. Dabei spielen derartige Anlagen innerhalb geschlossener, unbeplanter Siedlungsbereiche praktisch keine Rolle, da sie sich regelmäßig von der Art und dem Maß der Nutzung bei Gesamthöhen von mittlerweile mehr als 100 m nicht mehr in die Umgebungsbebauung einfügen und damit hier grundsätzlich nicht genehmigungsfähig sind. Dasselbe gilt für Bebauungspläne mit Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 der Baunutzungsverordnung. 

Als geeignete Standorte kommen nur spezielle Sondergebiete nach § 11 Baunutzungsverordnung oder unbeplante Flächen außerhalb eines Bebauungszusammenhangs (sog. Außenbereich) in Frage.

WIE SIND DIE GEPLANTEN ANLAGEN AUF DER HÖHE WIED RECHTLICH ZU BEWERTEN?

Die im Fürstlichen Wald zwischen Hilgert und Baumbach geplanten Anlagen liegen rechtlich im Außenbereich und sind dort an sich bevorrechtigt zulässig. Denn nach der Novellierung des Baugesetzbuches - BauGB - mit Wirkung vom 1. Januar 1997 wurden Windenergieanlagen in den Katalog der privilegierten Außenbereichsnutzungen nach § 35 Abs. 1 BauGB aufgenommen. Damit war nicht zuletzt das politische Signal verbunden, regenerative Energiequellen zu fördern und erleichtert zuzulassen. Deshalb besteht im Außenbereich unter bauplanungsrechtlichen Aspekten nunmehr ein Zulassungsanspruch für Windenergieanlagen, wenn öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 2 und 3 BauGB nicht entgegenstehen und die Erschließung gesichert ist.

Dies bedeutet, dass im vorliegenden Fall die Kreisverwaltung des Westerwaldkreises als zuständige Bauaufsichtsbehörde verpflichtet ist, eine Baugenehmigung oder einen positiven Bauvorbescheid zu erteilen, falls keine planungsrechtlichen oder sonstige (z.B. Einhaltung von Abstandsflächen) Hindernisse gegeben sind. Ein Ermessensspielraum besteht nicht. Insbesondere entfaltet eine etwaige Verweigerung des Einvernehmens der Ortsgemeinde Hilgert zu einem Bauvorhaben des Betreibers einer Windenergieanlage keine rechtliche Bindungswirkung, da die kommunale Planungshoheit durch § 35 BauGB ausdrücklich gesetzlich eingeschränkt wird. Der Ortsgemeinderat hat damit kein Vetorecht.

KÖNNEN DIE ANLAGEN VOR DIESEM HINTERGRUND TROTZDEM VERHINDERT WERDEN?

Durchaus. Zwar spricht viel dafür, dass eine wegemäßige Erschließung sowie die Verlegung unterirdischer Kabelleitungen gesichert ist, weil der Betreiber entweder im Privatbesitz des Fürst zu Wied stehende Wege benutzen oder der Ortsgemeinde Hilgert ein Erschließungsangebot machen würde. Bei einem privilegierten Vorhaben im Außenbereich ist eine Gemeinde verpflichtet, sich mit der Herstellung der Erschließungsanlage jedenfalls dann abzufinden, wenn ihr nach dem Ausbau des Weges keine unwirtschaftlichen Aufwendungen entstehen und die Annahme des Angebots nicht aus sonstigen Gründen unzumutbar ist.

Entscheidend ist hier jedoch, ob dem Vorhaben, wie erwähnt, öffentliche Belange entgegenstehen. Dies ist aufgrund einer umfassenden Abwägung aller in Betracht kommenden Gesichtspunkte zu ermitteln. Hinderungsgründe im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB können etwa Darstellungen in einem Flächennutzungsplan, schädliche Umwelteinwirkungen, Belange des Naturschutzes, der Landschaftspflege und der Denkmalpflege, Verunstaltungen des Orts- und Landschaftsbildes, Ziele der Raumordnung oder alternative Standortzuweisungen sein. Danach sind die Chancen, dass das Vorhaben generell nicht realisierbar ist, keineswegs aussichtslos.

WELCHE ERWÄGUNGEN SIND FÜR DIESE EINSCHÄTZUNG AUSSCHLAGGEBEND?

Ausgehend von der zurzeit geltenden Sach- und Rechtslage muss zunächst sorgfältig geprüft werden, ob öffentliche Belange unter dem Gesichtspunkt der Landschaftspflege und der Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbildes entgegenstehen. Eine Verunstaltung ist dann anzunehmen, wenn das Vorhaben in ästhetischer Hinsicht grob unangemessen und auch von einem für ästhetische Eindrücke offenen Betrachter als belastend empfunden würde. Hiervon wird man nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte bei Windenergieanlagen dann ausgehen müssen, wenn sie an exponierter Stelle in einer landschaftlich reizvollen Umgebung errichtet werden sollen. Angesichts einer Höhe von voraussichtlich 180 m, einer Entfernung von nur ca. 500 m zu Ransbach-Baumbach und Hilgert sowie der dominierenden und alles beherrschenden Stellung der Hybridtürme ist insofern jedenfalls eine genaue Einzelfallbewertung vorzunehmen.

Daneben sind Belange des Naturschutzes vorliegend nicht außer Acht zu lassen. Die Höhe Wied ist Durchzugsgebiet für Kraniche. Insoweit kann es sich daher als notwendig erweisen, in einem Genehmigungsverfahren ggfls. ein ornithologisches Fachgutachten einzuholen, das sich zu der Frage verhält, inwieweit der Vogelzug durch die beiden Anlagen beeinträchtigt wird.

Darüber hinaus dürfen von dem Vorhaben keine schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von unzumutbaren Immissionen ausgehen. Allerdings sind in diesem Zusammenhang Beeinträchtigungen durch einen Schattenwurf oder den sog. „Discoeffekt" eher zu vernachlässigen. Hierdurch hervorgerufene Einwirkungen, sofern sie im vorliegenden Fall überhaupt die Erheblichkeitsschwelle erreichen, können in der Regel durch Auflagen im Bauschein auf ein erträgliches Maß reduziert werden. Gewichtiger sind dagegen mögliche Lärmimmissionen. In Anlehnung an die Technische Anleitung Lärm dürfen zum Beispiel in einem allgemeinen Wohngebiet Richtwerte von 55 dB (A) tags und 40 dB (A) nachts nicht überschritten werden. Ggfls. ist vor einer Genehmigungserteilung daher eine Lärmprognose zu erstellen und effektiv sicherzustellen, dass die maßgebenden Werte bei einem Dauerbetrieb auch tatsächlich einhaltbar sind.

KÖNNEN ERKLÄRUNGEN DER LANDESREGIERUNG, ES WERDE GEPRÜFT, 
EINEN 1OOO METER - MINDESTABSTAND ZU WOHNSIEDLUNGEN EINZUFÜHREN, 
DAS VORHABEN DES FÜRSTEN ZUNICHTE MACHEN?


Nein!  Richtig ist zwar, dass Konflikte zwischen Wohnbebauung einerseits und Windenergienutzung andererseits umso geringer sind, je größer der Abstand ist. Verlautbarungen oder bloße Absichtserklärungen der Landesregierung sind jedoch rechtlich unerheblich. Gegenwärtig existiert ein Rundschreiben „Hinweise zur Beurteilung der Zulässigkeit von Windenergieanlagen" vom 18. Februar 1999 (sog. Windenergieerlass) mehrerer Landesministerien, in dem ein genereller Abstand dieser Anlagen zu Wohngebieten von 500 m empfohlen wird. Sofern im Zuge der bevorstehenden Überarbeitung dieses Erlasses eine Vergrößerung des Abstands auf 1000 m erfolgt, würde dadurch ebenfalls keine Rechtssicherheit geschaffen. Denn das Rundschreiben kann als sog. norminterpretierende Verwaltungsvorschrift allenfalls eine Richtschnur für die Bauaufsichtsbehörde sein, sie bindet jedoch nicht die Verwaltungsgerichte, die in einem Rechtsstreit abschließend über die Genehmigungsfähigkeit der jeweils geplanten Anlagen allein aufgrund der Gesetzeslage entscheiden. Sollte sich mithin im Einzelfall herausstellen, dass beispielsweise bei einem Abstand von 400 m keine öffentlichen Belange entgegenstehen, müsste eine Genehmigung erteilt werden.

GIBT ES WEITERE STEUERUNGSMÖGLICHKEITEN?

Ja. Wie bereits angesprochen, hat der Bundesgesetzgeber in § 35 Abs. 3 BauGB zwei Steuerungsmöglichkeiten alternativ zur Wahl gegeben, nämlich die Festlegung von Vorrang- und Konzentrationsflächen auf der Ebene der Raumplanung oder auf der kommunalen Ebene der Bauleitplanung.

EXISTIERT EINE RAUMPLANUNG WINDENERGIE?

Auf der Ebene der Raumplanung ist die hierfür zuständige Planungsgemeinschaft Mittelrhein-Westerwald, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die sich vor allem aus den Landkreisen der Region und der kreisfreien Stadt Koblenz zusammensetzt, zur Zeit dabei, den „Teilplan Windenergienutzung" neu aufzustellen. Dieses Verfahren ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. In ihrer Sitzung vom 22. Juni 2004 hat die Regionalvertretung der Planungsgemeinschaft beschlossen, alle Bereiche, die in einem sog. regionalen Grünzug liegen, als Ausschlussfläche zu definieren. Da das gesamte Gebiet der Verbandsgemeinde Höhr-Grenzhausen innerhalb eines solchen Grünzuges liegt, wäre bei einer Umsetzung dieses Beschlusses eine Realisierung der Anlagen auf der Höhe Wied nicht mehr möglich. Auf Veranlassung des Landesinnenministeriums in seiner Eigenschaft als Oberste Landesplanungsbehörde, die den Teilplan genehmigen muss, wurde diese Planung zwischenzeitlich aufgegeben. In seiner Sitzung vom 22. September 2004 hat die Regionalvertretung ihren Entwurf überarbeitet. Danach ist für das Waldstück zwischen Hilgert und Baumbach ein sog. „Potenzialraum" oder eine „weiße Fläche" vorgesehen. Das heißt, in diesem Bereich soll eine Steuerung auf regionalplanerischer Ebene unterbleiben.

Dieser Entwurf ist noch nicht in Kraft getreten. Vom 2. November bis zum 31. Dezember 2004 konnten die durch die Planung berührten Behörden und Planungsträger sowie Privatpersonen hierzu Stellung nehmen. Die Verbandsgemeindeverwaltung Höhr-Grenzhausen und die Mitglieder des Aktionskreises Windenergie Hilgert haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Voraussichtlich bis Ende März 2005 wird die Regionalvertretung die einzelnen Einwände und Anregungen geprüft haben.

Für den „Potenzialstandort Hilgert" bedeutet eine Verwirklichung der aktuellen Planung, dass Ziele der Raumordnung den beiden geplanten Anlagen nicht als öffentlicher Belang entgegenstehen. Zugleich wird den Gemeinden indes die Möglichkeit eröffnet, innerhalb der „weißen Flächen" eine eigene Steuerung durch eine Änderung oder Ergänzung ihrer Flächennutzungspläne vorzunehmen. Für den hier interessierenden Bereich zuständig ist die Verbandsgemeinde Höhr-Grenzhausen.


IST DIE VERBANDSGEMEINDE HÖHR-GRENZHAUSEN TÄTIG GEWORDEN?

Ja.  Nachdem sich abgezeichnet hat, dass die Planungsgemeinschaft Mittelrhein-Westerwald für den potentiellen Standort keine eigene planerische Entscheidung treffen will, wurde in der Sitzung des Verbandsgemeinderates vom 21. September 2004 beschlossen, im Rahmen einer Ergänzung des Flächennutzungsplanes Naherholungsbereiche sowie Flächen für Windenergieanlagen auszuweisen. Als mögliche Standorte für Vorranggebiete sind eine Fläche in Höhr-Grenzhausen auf dem Morsberg entlang der A 48 sowie eine Waldfläche in Hilgert zwischen der A 48 und der L 307 an der Grenze zu Ransbach-Baumbach in Betracht gezogen worden.

Allein eine derartige positive Planung von Standorten für die Windenergienutzung ermöglicht nach der durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau zum 20. Juli 2004 in Kraft getretenen Bestimmung des § 15 Abs. 3 BauGB eine bis zu einjährige Zurückstellung von Baugesuchen.

Bei der zu treffenden Abwägung sind alle in Betracht kommenden Belange, auch diejenigen eines Betreibers, der auf der Höhe Wied ein Vorhaben verwirklichen will, einzubeziehen und zu prüfen. Dabei brauchen Flächen für Windenergieanlagen jedoch nicht auf allen für diese Nutzung potentiell geeigneten Grundstücken ausgewiesen werden. Städtebauliche Gründe (z.B. Erhaltung von Schutzräumen in siedlungsnahen Bereichen) dürfen für einzelne Potenzialflächen im Ergebnis vorrangig gewichtet werden mit der Folge, dass als Resultat der Planung für den Bereich des Fürstlichen Waldes letztlich eine Ausschlussfläche vorliegen und eine standortbezogene Aussage einem Bau der Anlagen unabhängig von sonstigen Hindernissen als öffentlicher Belang entgegenstehen kann. 


Claus- Dieter Schnug - 07.01.05  -

 

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Letzte Bearbeitung:07.01.2005