Windkraftanlagen im Westerwald  
Artikel und Leserbriefe aus der WWZ  (pro)

 [ zurück ]


Westerwälder Zeitung. 26.10.2004
Neuer Wirbel um Windkraft
VG-Ratsbeschlüsse haben Weidenhahner Pläne gekippt - Ortsbürgermeister ruft zur Gegenwehr auf

Nachdem die geplanten Windkraftanlagen der Gemeinde Weidenhahn durch Beschlüsse des Verbandsgemeinderates nicht mehr errichtet werden sollen, ruft Ortsbürgermeister Dieter Görg bei der heutigen Gemeinderatssitzung zur Gegenwehr auf. Denn: Weidenhahn ist auf die Einnahmen dringend angewiesen.

WEIDENHAHN. Viel Wind um die Windkraft wirbelt jetzt in Weidenhahn auf. Mit Beschlüssen des Verbandsgemeinderates Selters sind die fünf ursprünglich vorgesehenen Anlagen dort vorerst gekippt. Ortsbürgermeister Dieter Görg ist entsetzt, und ruft in der heutigen Gemeinderatssitzung dazu auf, sich dagegen zu wehren, braucht die Ortskasse doch dringend die 100 000 Euro, die es mit einem Baubeginn noch 2004 vom Vertragspartner gegeben hätte - Geld, das den Haushalt ausgeglichen und einen Teil der Schulden getilgt hätte.
„Für uns ist das eine Existenzfrage", sagt Görg. Er hat fest mit einem Baubeginn noch in diesem Jahr gerechnet und somit auch mit den 100 000 Euro. vom Betreiber, der SIAG Planungs- und ProjektierungsGmbH.38 000 Euro fehlen der Ortsgemeinde für einen ausgeglichenen Haushalt 2004. Seit 1996 hat sich ein Schuldenberg von 1,2 Millionen Euro angesammelt. Gern hätte Görg mit der Tilgung begonnen. Doch nun hat ihm die Verbandsgemeinde einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nach den neuesten Beschlüssen des VG-Rates fällt Weidenhahn für die Windkraft flach. Grundlage ist ein Gutachten, das die VG in Auftrag gegeben hat. Demnach halten die Standorte den Mindestabstand zu den Ortsrandlagen von 750 Metern nicht ein. Außerdem sei die Lärmimmission zu hoch.
Hofft doch noch auf Geld
Dieter Görg versteht das nicht: „ Die VG war bis vor wenigen Wochen noch mit uns dafür." Er hofft nun, dass sich Weidenhahns Ratsmitglieder gegen die Beschlussfassung des VG-Rates Selters stellen, um doch noch zu den Windrädern und viel Geld für die Gemeinde zu kommen.
Ebenso auf Unverständnis stoßen die neuerlichen Entscheidungen des VG-Rates beim ursprünglich vorgesehenen Betreiber: 140000 Euro habe die SIAG Planungs- und Projektierungs GmbH für Standortgutachten in Weidenhahn ausgegeben. „Wir haben investiert, weil das von der VG politisch gewollt war", so Geschäftsführer Bernd Bolz, der sich auf entsprechende VG-Ratsbeschlüsse in den Jahren 2002 und 2003 bezieht. Außderdem habe die VG im Zuge der Vertragsgestaltung zwischen SIAG und Ortsgemeinde Weidenhahn diese rechtlich überprüft. Für Bolz ist das VG-Gutachten „erwiesener Unfug". Ob und wie die SIAG einen Schadenersatz geltend machen will und kann, „das wissen wir im Moment noch nicht", sagte Bolz weiter.
Und die Verbandsgemeinde? Die stand im Sommer dieses Jahres in Sachen Windkraft plötzlich vor einer ganz neuen Situation: „Wir mussten plötzlich selbst planen", sagt Bürgermeister Klaus Müller. Denn bis Juni galt seitens der Planungsgemeinschaft Mittelrhein Westerwald eine andere Regelung. Zuvor musste die VG in Absprache mit den Ortsgemeinden Vorschläge für den regionalen Raumordnungsplan machen. Für Weidenhahn waren das fünf Standorte. Von diesen Vorschlägen waren aber seitens der Planungsgemeinschaft für Weidenhahn ohnehin nur drei vorgesehen, so Müller. Im Sommer 2004 änderte die Planungsgemeinschaft wegen der großen Anzahl von Einwänden dann ihre Vorgehensweise. Plötzlich kamen etwa 50 Prozent der Selterser Verbandsgemeinde-Fläche für Anlagen in Frage. Die VG selbst musste entscheiden, wie sie diese Fläche eingrenzt, Standorte ausweist, um eine Verspargelung der Landschaft zu vermeiden.
„Mussten jetzt handeln"
Sie gab das Gutachten in Auftrag, bei dem unter städtebaulichen Kriterien vorgegangen wurde, und die gesamte Gemeindefläche der VG untersucht wurde, nicht etwa projektbezogen, betont Müller - wie etwa im Gutachten der SIAG mit den entsprechenden Unterschieden bei den Grenzwerten. „Wir mussten jetzt handeln", sagt Müller, der den neuerlichen Wirbel um die Windkraft in Weidenhahn in der veränderten Vorgehensweise der Planungsgemeinschaft begründet sieht, (hen)
Der Ortsgemeinderat Weidenhahn, tagt heute um 19 Uhr im Sitzungssaal im Feuerwehrhaus.
.

Windräder zahlen sich in barer Münze aus
Windkraftinteressierte aus Westerwaldgemeinden statteten Eppenroder Anlagen Info-Besuch ab

HÜBINGEN/EPPENROD. Seit einigen Monaten sind die in der Gemeinde Eppenrod (Rhein-Lahn-Kreis) errichteten Windräder weithin sichtbar. So auch von der Ortsge-meinde Hübingen aus, die j etzt unter Führung ihres Ortsbürgermeisters Wilfried Noll eine Infofahrt zu den „weißen Riesen" in der Nachbarschaft unternahm. Den interessierten Bürgern aus dem Buchfinkenland schlössen sich auch eine Delegation aus Welschneudorf und Windkraftinteressierte aus Gackenbach, Daubach und Ettersdorf an.
 Die 30 Teilnehmer wurden vor Ort von Ortsbürgermeister Dieter Lotz und Fred Kessler aus Altendiez, Betreiber einer der neuen Anlagen, über das Zustandekommen und den Betrieb des Windparks mit fünf Windrädern informiert. Das Betreiberkonsortium besteht aus zwei Privatinvestoren und der Energieversorgung Baden-Württemberg. Um einen besseren Preis für die ins Netz einzuspeisende Energie zu erhalten, legten die Betreiber großen Wert auf eine Fertigstellung der Anlagen kurz vor dem 31. Dezember 2001. Bei Eis und Schnee entstanden zum Jahreswechsel fünf Windkraftanlagen mit einer Höhe von rund 80 Meter und einer Jahresgesamtleistung von 4,5 Millionen Kilowatt, die nur unweit der Anlagen in eine 20 KV-Leitung eingespeist wird. Die Windräder stehen auf einem Fundament aus 130KubikmeterBeton und 30 Tonnen Stahl. Rund 100 Tonnen Stahl wurden für jeden der fünf Türme benötigt. Die  Rotorblätter sind 22 Meter lang. 
Die Nutzungsdauer der Anlagen ist auf etwa 25 Jahre ausgelegt. Laut Lotz gab es aus den Reihen der Bürger gegen dieses Projekt keine Gegenwehr. Eine Belästigung der Anwohner durch Geräusche oder den so genannten Diskoeffekt sei nicht gegeben. Jedenfalls lägen ihm keine Klagen vor. Für die Ortsgemeinde Eppenrod zahlen sich die umweltfreundlichen Stromerzeuger auch in barer Münze aus.
Anstrengend und kräftezehrend gestaltete sich für vier der Exkursionsteilnehmer der fast 20 Minuten dauernde Aufstieg über eine 320 Sprossen zählende senkrechte Stahlleiter bis in die Gondel eines Windrads. 
Bild (nicht eingefügt) : Fasziniert von den langsam rotierenden Riesen für saubere Energiegewinnung bei Eppenrod: die Delegation Windkraftinteressierter vor Ort. 

WWZ vom 3.7.2003 

.
"Diese Chance nutzen" (WWZ Lesebrief vom 12. 4. 2004)
In der Auseinandersetzung um Windräder in Weidenhahn ergreift dieser Leser Partei für die Windkraft und gesunde Gemeindefinanzen. Ich kann durchaus verstehen, wenn Bewohner umliegender Gemeinden bei dem Gedanken, dass in der Gemarkung Weidenhahn sieben „Windräder" aufgestellt werden sollen, nicht gerade in Beifallsstürme ausbrechen. Schließlich haben sie ja keinen direkten Nutzen davon. Allerdings kann ich nicht verstehen, dass Weidenhahner Bürger das Bauvorhaben als Nonsens oder ähnliches bezeichnen. Nonsens sind KKW's, die nicht ans Netz gehen. Die Gemeindekasse von Weidenhahn hat derzeit einen Schuldenstand von etwa 625 500 Euro. Das entspricht einer Durchschnittsverschuldung je Einwohner von 1090 Euro (Landesdurchschnitt vergl. Gmd. 261 Euro). Wenn sich nun bei derzeitigen jährlichen Gesamteinnahmen von etwa 295 800 Euro (Gesamthaushalt etwa 396 500 Euro) die Möglichkeit bietet, sich jährliche Mehreinnahmen /von 100000 Euro zu erschließen, so würden nach meiner Meinung die Gemeindeväter unverantwortlich handeln, wenn sie diese Chance nicht nutzten. 
Diese Alternative der Finanzbeschaffung ist mir auf jeden Fall sympathischer als unvermeidbare Steuererhöhungen. Ich frage mich allerdings, was die Gegner der Anlage dann sagen würden. Aber vielleicht haben sie ja eine Idee, wie die Gemeinde aus der Finanzmisere herauskommen kann ! 
Zu der Rubrik „Gefuchst" ist anzumerken, dass natürlich die Bürger, die sich das ganze Jahr nicht für das Dorfleben und die Belange der Ortsgemeinde interessieren, von solchen Plänen nichts erfahren, selbst wenn darüber in fünf öffentlichen Gemeinderatssitzungen intensiv beraten wird und die Sitzungsprotokolle veröffentlicht werden. 
Mit den Windkraftanlagen ist es übrigens wie mit den Autobahnen: Keiner will sie bei sich haben, aber jeder fährt darauf. Paul Friedrich, Weidenhahn 

WWZ Kommentar vom 13./14.. MÄRZ 2004
Kommentar
Reisen bildet: Zum Beispiel Fehmarn
• Horst Schaefer zur Windenergie
Der Verbandsgemeinderat [Montabaur] wollte ideologiefrei über die Windkraftflächen diskutieren. Ganz gelungen ist ihm das nicht. Vor allem CDU-Sprecher Wolfgang Müller muss sich fragen lassen, ob seine Sorge um Zugvögel und Fledermäuse echt ist - oder nur vorgeschoben, um Rot-Grün hier mal mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Verteidigt der Niedererbacher seine Heimat ähnlich vehement gegen neue Straßen, Tongruben, Steinbrüche, Gewerbegebiete, Überlandleitungen und Sendemasten? Oder sagt er dann: Das brauchen wir eben, damit wir „nicht in Schönheit sterben".

Mit Recht reklamiert die CDU, dass große Windanlagen höher sind als der Kölner Dom. Auch der Kühlturm in Mülheim-Kärlich ist höher als der Dom. Hat's Müller gestört?

Mit Recht reklamiert die CDU, dass die Windenergie hoch subventioniert wird. Aber wer hat eigentlich die Milliarden für Mülheim-Kärlich, Kalkar und Wackersdorf bezahlen müssen? Die Steuerzahler und Stromkunden, nicht das RWE. Die Steinkohle wird subventioniert, die Solar-Technik auch.

Mit Recht reklamiert die CDU, dass Windräder, wo sie nicht hingehören, dem Fremdenverkehr schaden können. Aber weiß sie auch, dass 100 000 Arbeitsplätze in Deutschland am Exportschlager Windenergie hängen? Auch im Wester-
wald arbeiten zwei international erfolgreiche Anlagenbauer.

CDU-Mann Müller könnte sich auf Fehmarn kundig machen: Die Ostsee-Insel hat 185 Quadratkilometer (Westerwald-kreis: 1000 qkm) und 150 Windräder. Zehntausende Zugvögel pro Jahr rasten auf der Insel. Aber Müller muss früh buchen: Die Ferieninsel ist neun Monate im Jahr ausgebucht. 

[ zurück ]

WWW.hilgert.info

Letzte Bearbeitung: 01.11.2004