Wilhelm Strödter,  Kriegstagebuch 1914 
Feldpost

[ Stempel ]
Infanterie – Leibregiment
(3.Gross. Hess.
3. Kompanie


Feld-Post-Brief

Herrn
Wehrm. Wilh. Ströder
in Hilgert
Post- Ransbach / Westerwald
Provinz- Hessen-Nassau

[Absender]
Reservist - Wilh. Klein, 9. Komp. Inf. Regt. 117.25 Hessische Divis. 1. Bat. II. Zug,
18. Armee - Korps
zurzeit im Felde
im Westen

Geschrieben 30. Juli 1915

Lieber Freund Wilhelm!
Dein Packetchen habe ich soeben erhalten, wofür ich dir recht herzlich danke. Habe mich sehr darüber gefreut. Du fragst wie es mir ging, nun ich kann dir mit Freuden mitteilen, dass ich noch gesund und munter bin, nur tüchig arbeiten müssen wir, wenn wir in Ruhe sind.
Diese Arbeit wird gemacht für unsere eigene Sicherheit. Wo wir liegen fragst du, ich darf es ja eigentlich nicht schreiben, nun ich werde es versuchen dir doch mitteilen zu können. In Nordfrankreich, das Nest heißt auf Französisch Chaulnes [Picardie]. Hier gibt es noch über 600 Zivilpersonen, allerhand  .....[ Schwindler ?] , ich sage ein Kroppzeug
ist das, verschiedene, oder viel mehr die meisten haben
Vergütungen von uns. Jeden Tag kommen sie und betteln Brot, und dann sind se noch imstand, und treten es nachher mit den Füßen. Es soll mir noch mal eine kommen, welche Brot haben will, das kannst du mir glauben, daß sie auch meine preußischen-hessichen Komißstiefel in den Hinteren getreten kriegen.
Könnte dir noch viel mehr schreiben, was hier die Herren Offiziere sich alles erlauben, das glaubst du gar nicht, nun bei all dem Kram, darf man die Geduld nicht verlieren, und die Geduld haben wir, se können einen nicht mehr aus der Ruhe bringen. Und wenn die Geschosse haufenweise über unsere Köpfen pfeifen, da machen wir uns nichts mehr daraus. Es ist uns ja nichts neues mehr, wenn die Granaten pfeifen, hier pfeifen ja jeden Tag, von die Franzmänner wie von uns. Vor einigen Wochen hatten wir einen Überläufer, welcher zu uns kam. Was der uns alles erzählt hat, weiß ich nicht mehr, werde dir es später mal erzählen, wenn ich es wieder erfahre.
Auch Deinen Schwager Karl haben wir hier getroffen, war das eine Freude endlich wieder mal einen Hilgerter bei uns. Das wäre ziemlich alles was ich einstweilen wüsste. Habe auch keine Zeit mehr zum Aufschreiben, denn um ½ 5 schmeißen sie uns wieder raus. Ich bin jetzt bei den Laufgraben-Pflasterer, eine ganz schöne Arbeit. Lernt man noch pflastern auf seine alten Tage. So sei denn recht herzlich gegrüßt von deinem Freund Wilhelm.

Gruß an Frau und Kind nebst
Eltern und Geschwistern

Auf - Wiedersehen in der Heimat