Wilhelm Strödter, Kriegstagebuch 1914 Feldpost |
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[ Ohne Umschlag ] Frankreich den 25. Juni 1915 Lieber Wilhelm und Familie ! Endlich will ich Dir doch einmal einen ausführlichen Brief schreiben. Du wirst gewiß recht böse über mich sein Und das auch mit Recht, aber Du musst mir entschuldigen habe ich immer aufgeschoben und aufgeschoben dann kam so etwas und wieder etwas anderes wie es im Kriege geht. Vor allen Dingen l. Wilhelm wie geht es Dir. Du wirst doch gewiß jetzt so weit wieder hergestellt sein. Ja wer hätte das gedacht im August vorigen Jahres als wir uns in Lahnstein verabschiedeten. Welches Elend ist in dieser Zeit über so viele tausende Familien ge- kommen und wie viel steht noch bevor ist doch an ein En- de noch nicht zu denken. Wir sind auch schon überall her- umgeflogen, unser Landwehrbat. ist schon sei zehn Wo- chen dem Reserve – Reg Nr. 17 als III Bat. zugeteilt. Lie- gen jetzt in Stellung bei St. Marie-a-Py in der Nähe von Souain- Perthes also im Hexenkessel. Die letzte Zeit haben wir viel Ersatz bekommen über 200 Mann, lauter ungedienten Landsturm. Unsere Komp. hat jetzt ungefähr 300 Mann Gefechtsstärke. Die alten Leute sind sehr wenig geworden. In der Stellung ist nicht viel los, unser Zug liegt auf 20 m [20 km ?] vom Feinde. Nichts wie Mienen und Sprengungen, es ist kein Krieg mehr, sondern ein raffiniertes Morden. Mit der Führung ist es auch nicht weit her, lauter Reserve – Offiziere, den ihr Gehalt zu Hause fort geht und die immer noch dazu einen schweren [Lohn] dazu beziehen. Diese gehen mit in den Schützengraben legen sich in ihren bombensicheren Unterstand 7-8 m tief unter der Erde. Die Leute wer- den dann vorn hingestellt wenigstens 150 m von ihnen entfernt. Das haben die Unteroffiziere über sich, die Herrn gehen nicht aus der Höhle machen noch lieber ihre Notdurft in eine Zigarrenkiste und lassen diese herausschaffen. Mich graut es manchmal wenn ich daran denke es ginge mal los dann wäre keiner zu finden. Man rechnet damit, daß es hier in der Champagne unter der Hand mal wieder losgeht wenn man so die Zeitungen ließt von dem Mute und der Tapferkeit unserer Truppen kommt es einem manchmal ganz komisch vor, es ist das liebe Muß, sie sind es alle satt und wären froh wenn es Schluß wäre. Unser 3. Bat. ist dem Res. Regt . 69 als 3. Bat. zugeteilt und unser 1. u. 4. Bat. hingen in den Vogesen, ganz zersprengt und verstreut. Wir hier der Stellung liegen wir bei Cernay na dem 15. Reserve – Korps auch na dem 80ern. Da habe ich K. Sanner, E, Faust aus Selters , sowie K. Sahm aus Maxsein öfter getroffen, auch habe ich meinen Schwager Ostern besucht und Emil Schnug getroffen, sowie die beiden Aller [Anm.: "Aller" ist ein Familienname] aus Maxsain, die wissen nicht was Krieg ist. Bei uns sind auch noch mehrere Selterser [Anm: Amt Selters] Jahn v. Grenzau, W. Groß, K. Faust, K. Hein, welchen Du auch kennst er ist zwar bei der Bagache auch Unteroffizier Götsch aus Grenzhausen, der hat ein großes Nummer bei der Bagache und ist sehr ein- gebildet weiß nicht ob er mit einem gewöhnlichem Mann sprechen soll. Im März war ich auch zehn Tage im Lazarett in Rethel wurde aber schnell entlassen, das drücken [Drückeberger] versteht nicht ein jeder, ob- wohl tausende von dieser Sorte hinter der Front |
herumlaufen. Im April hat unser 3. Bat. Bei Ripont auch schwer gelitten von der 11 Comp. sind nur 50 Mann wiedergekommen hatten stürmen müssen ohne et- was erreicht zu haben, Prinz Eitel hatte sie vorgeschickt der lag hier bei Ripont Gradnul mit seiner Brigade 1. u. 3. Garderegt. z. Fuß. Habe damals versch. gesprochen. Frentrupp ist hier zum 2. mal verwundet worden. Er war Leutnant und Kompanieführer und hatte das eiserne Kreuz I. Classe. Ich bin seit einigen Wo- chen kommandiert hier in Somme- Py zum Wegebau der 54 Iftr Division der wir jetzt zugehören. Müssen die Wege und Straßen in Ordnung bringen habe auch Dampfwalzen hier. Es thut einem doch ordenlich wohl wenn man aus dem Strudel raus ist. Da vorn wird man ganz dumm und dösig, ganz in- teressenlos in allem. Von uns werden jetzt immer zu alte Leute beurlaubt ich werde mit den Letzten an die Reihe kommen weil ich kommandiert bin am Anfang gab es 12 Tage, jetzt nur mehr 10. Unser Kompaniefeldwebel wohnt in Ransbach und ist Teil- haber mit an der Firma Seibert Holzwerke, heißt Blaß, Du kennst denselben vielleicht, besitzt auch eine große Dosis von Einbildungskraft. Unser Kom- paniefüher ist ein Oberleutnant von Beruf Rechts- anwalt, er hat einen Fehler an sich, kann nämlich keinen Congnak trinken wie die meisten dieser Sor- te. Neulich bei dem schönen Wetter hatten wir viele Besuche durch feindl. Flieger. Vor einigen Tagen hat einer hier in der Nähe des Bahnhofs 4 Bomben geworfen ohne, Gott sei Dank , Menschenleben zu kosten. Der Ort, wo ich bin, ist eine gute halbe Stunde entfernt von dem Ort wo die Komp. liegt und gehe ich von Zeit zu Zeit alsmal hinüber bekommen wir doch unsere Löhnung von der Komp. Bin auch seit März etatsmäßiger Gefreiter was sagst Du dazu ? Habe mich natürlich auch sehr bemüht und angestrengt des- wegen wie ich dazu gekommen bin weiß ich selber nicht. Nun l.[lieber] Wilhelm wie ist es mit Deiner Unter- stützung, was geben sie Dir oder ist die Zeche noch nicht geregelt? Ich habe mich schon so oft gefragt wie wird man es den Leuten nachher danken die ihre Glieder, Leben und Gesundheit geopfert haben , hört man doch in letzter Zeit soviel von Urlaubern, daß man jetzt schon vielfach geradezu die schon uzt [Dialekt] und dergl. so daß einem die Zornesröte ins Gesicht steigt wenn man so etwas hört. Ich will nicht von Einzelhei- ten auf das Ganze schließen, wird doch auch viel gere- det, hoffentlich ist unser Volk doch nicht so gesunken das es den Leuten die ihr Alles geopfert haben u. denen sie ihre weiteren geordneten Verhältnisse ver- danken, so entgegengekommt, zwar Undank ist der Welt Lohn. Ich will für heute schließen. Also, Ihr Lie- ben, entschuldigt nochmals, daß ich solange auf mich warten ließ und soll unsere Freundschaft dadurch nicht aufhören, habe nichts böses dabei gedacht. Wo ist Karl eigentlich, habe schon soviel Brandenburger gese- hen, hier liegen auch welche. Mit vielen tausend Herzl. Grüßen an Euch Alle Euer Lothar Gruß an Eure l. Eltern und Schwiegereltern meine Adresse ist: Gefr. Corzilius, 8 Comp.L.I. Rgt. Nr. 87, 54 Iftr. Division, Armee- Gruppe- Fleck, z.Zt. im Felde (Westen)
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