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Josef Wittlich -
ein Künstler der Art Brut / Naiven Malerei -
Torsten Fries
Josef Wittlich, auch ,,unser Juppchen"
genannt, war Zeit seines Lebens von der Malerei besessen.
Als Halbwaise und Sohn eines Knopfmachers wurde er am 26.Februar 1903 in
Gladbach bei Neuwied geboren. Über die ersten 20 Jahre seines Lebens ist
wenig bekannt. So soll er im Jahr 1921 als Bursche für einen franzosischen
Offizier in Paris tätig gewesen sein. Ende der 20er Jahre wanderte er
durch Bulgarien und Jugoslawien.
Erst mit der großen Arbeitslosigkeit tauchte Wittlich wieder in seiner
Heimat auf und lies sich 1934 in Nauort als Knecht nieder.
Hier hatte er
erstmalig die Möglichkeit nach der Arbeit seiner großen Leidenschaft, der
Malerei nachzugehen.
In jeder freien Minute erfasste Ihn eine große Unruhe, dass er kaum Zeit
zum Essen gefunden hat.
Er zog sich in seine Stube zurück und begann zu malen. Bis in die frühen
Morgenstunden malte zu dieser Zeit an seinen Schlachten die bis zu 1,50 X
5 Meter Größe erreichen konnten. War ein Bild fertig, so fing er sofort
mit dem nächsten an.
Nicht das Ergebnis war sein Ziel, sondern die Befriedigung beim Malen und
die Entstehung seiner eigenen, bunten Welt. Es sind in dieser produktiven
Zeit hunderte oder tausende Bilder entstanden. Mit ein paar gerollten
Bildern bestückt begab er sich oft auf den Weg ins Wirtshaus und bot dort
seine Werke an. Zumeist Mitleid wurde er das ein oder andere Bild los. Aus
Erzählungen ist bekannt, dass er zu diesem Zeitpunkt vornehmlich
Soldatenbilder malte. Vorlagen für seine skurrilen Gemälde sind Berichte
und Fotos aus der Zeit von 1914-1918.
Von Anfang an versah Wittlich seine Bilder mit bunten Rahmen, zeichnete
die Motive mit Bleistift vor und malte dann nach dem Prinzip ,,malen nach
Zahlen" die einzelnen Flächen aus. Wie seine Bilder, so ist auch er selbst
in seinem Äußerem sehr farbenfroh. Er trug verschiedenfarbige Socken,
rauchte bunte Zigaretten und zündete diese mit farbigen
Streichholzern an.
Mit dem zweiten Weltkrieg wurde er zunächst zwangsverpflichtet, geriet in
russische Gefangenschaft und flüchtete kurze Zeit später über den Balkan
zurück nach Deutschland. Hier wurde er in Kassel in einer Munitionsfabrik
eingesetzt. Nach Kriegsende war sein erster Weg zurück in die Heimat. All
sein Besitz lag unter Trümmerschutt vergraben. So schlug er sich einige
Jahre als Gelegenheitsarbeiter durch, bis sich 1948 sein Wunsch nach einer
Anstellung zum Industriearbeiter in Höhr- Grenzhausen erfüllte. Seine
damaligen Arbeitskollegen erinnern sich noch heute an einen sehr willigen
und treuen Mitarbeiter. Nur ärgern durfte man Ihn nicht......
Seine Leidenschaft zur Malerei war ungebrochen und so entstanden unzählige
Bilder. Juppchen malte jetzt nicht nur Schlachten und Soldaten, sondern
interessierte sich immer mehr für Frauen, insbesondere für Königinnen und
Adlige. Menschen die er mochte hatte er immer wieder Bilder geschenkt.
Wollte man Ihm eine besondere Freude machen, kaufte man Ihm ein Bild ab.
So malte er viele Jahre und die meisten hielten seine Malerei für Kitsch,
klebten seine Bilder über die Werkbänke oder zündeten damit die Öfen an.
Sein zweiter und entscheidender Lebensabschnitt begann für Wittlich im
Januar 1967: Bei einer Werksbesichtigung stößt der Keramiker Fred Stelzig
auf einige Bilder von Wittlich und ist sofort begeistert. Er zeigt die
Kunstschätze dem befreundeten Fachmann Dieter Honisch. Dieser erkennt das
Potential und veranstaltet bereits am 13. Mai des gleichen Jahres eine
Ausstellung in seinem damaligen Haus, dem Württembergischen Kunstverein.
Die Ausstellung ist ein voller Erfolg und alsbald reißen sich Künstler,
Museen, Sammler und Galeristen um Wittlichs Bilder. Mit dem Erfolg bekommt
Wittlich aber auch die Zwange seiner
Umwelt und des Kunstmarkts zu spüren. Er muss beginnen seine Bilder zu
signieren und zu datieren.
Vieles, was er in den Jahrzehnten zuvor verschenkt hatte, sollte er jetzt
nachsignieren. Er wird mit Vorlagen
aus Versandhauskatalogen, Illustrierten und Modeheften überschüttet die
ihm Anregungen für neue
Motive geben sollen.
Mehr als 40 Jahre hatte sich niemand für seine Kunst interessiert. Er war
Zeit seines Lebens der unbeachtete Sonderling, der immer da war und auch
irgendwo dazugehörte. Jetzt war vieles anders, Juppchen hatte mehr Geld
als er in seinem ganzen Leben hatte verdienen können. Kein Wunder, dass
Ihn der späte Ruhm verstörte und er versuchte sich dem unfreiwilligen
Erfolg zu entziehen. Wenn er gefragt wurde was er mit dem vielen Geld
machen wollte, antwortete er: ,,Ein Paar neue Schuhe kaufen".
Josef Wittlich starb am 21. September 1982 an einem Herzinfarkt in Höhr-
Grenzhausen auf der Strasse.
(C) Tortsen Fries, Mai 2010
Wer noch Bilder hat oder noch etwas über
Josef Wittlich erzählen kann, bitte wenden sie sich an:
Torsten Fries, Alfred-Kamp-Strasse 10, 56203 Höhr-Grenzhausen, Tel:
02624/947498, Mail: t-fries(ad)online.de ( ad = @ )
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Schlachtengetümmel
Karl-Ludwig Schmidt
Wittlich malt für sich, durchlebt immer
wieder etliche Schlachten, er leidet, kämpft, stirbt, versucht das Chaos zu
fassen, bis, vielleicht sein eigener Kampf, gewonnen ist.Er durchlebt diese
Schlachten immer wieder und wieder. Comic, Pop-Art irgendwo ist Wittlich da
einzuordnen, es fehlen nur noch die Sprechblasen, aber er malt expressiv,
und nur für sich.
Alle möglichen Formelemente sind durch eine dunkle Kontur abgegrenzt, es
gibt in dieser Hinsicht kaum eine Differenzierung,
sie machen sich selbständig, der Zusammenhalt geht verloren. Das Chaos ist
unabwendbar, das bunte Spektakel droht auseinanderzufallen, "...seit
männlich und stark ". Wittlich bewegt sich aber nicht in jener mystisch
verklärten, dunkel-ernsten völkischen Welt. Ohne Not zimmert er dann für
seine Bühne den typisch gelben Rahmen, der alles wieder ins Loth bringt. Er
fühlt sich offensichtlich wohl in seinem Gelben Unterseeboot " ...unter den
Wellen.. " mit dieser Leichtigkeit lebt er noch heute in seinen
Bildern weiter.
Es ist schwierig, bei der Fülle verschiedener Kriegsschlachten, die
er gemalt hat, sich auf ein bestimmtes Bild zu beziehen.
Das folgende Bild könnte auch benannt werden: „Der fallende Soldat“.
Die (französischen) Soldaten mit ihren blauen Uniformen im unteren
Bildbereich sind durch die Überschneidungen dem Vordergrund des Bildes
zuzuordnen.
In der linken oberen Bildhälfte, der (deutsche) Soldat mit seiner grauen
Uniform. Zur darunter kämpfenden Gruppe, in einer "Bedeutungsperspektive",
erscheint er in Übergröße.
Wichtiges wird höher und größer und auch näher zum Betrachter. Mit diesem
nach hinten "fallenden" Soldaten, durch seinen himmelwärts
gerichteten Blick aus einem schon verformten Gesicht, geht es um das Sterben
im Schlachtfeld Durch die relative Größe des Kopfes und des unförmiges
Profils, entsteht eine „große“ Nähe zu dieser Figur, zu seiner Person und
seinem Schicksal. Er ist das prägnanteste Motiv in diesem
Schlachtengetümmel. Der Soldat wird zur Gliederpuppe, haltlos wird er durch
die diagonale Dynamik in die Ecke, schon fast aus dem Bild gedrängt,
er stemmt sich dagegen "aus dem Rahmen" zu fallen. Wittlich sorgt schon
dafür, dass dies nicht geschieht. Josef Wittlich braucht in seiner
malerischen Besessenheit solch einen Übergang zur Wirklichkeit, er definiert
ihn durch den gemalten Rahmen, eine fest gesetzte Grenze zwischen seinem
inneren Schlachtfeld und der realen Außenwelt.
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Kaseinfarbe
auf Papier - 70 x 100 cm)
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Computerverfremdumg: Comic, Pop-Art und Abstrakter Expressionismus , Josef
Wittlich ein Maler der Expressionistischen Pop Art . Es sind Bilder
nach Bildern. Bildmotive und Farben wurden aus Zeitschriften, Büchern
und Postkarten übernommen.
Durch vexierbildhafte, also
doppeldeutige Überlagerung, wird durch Form und Farbe in dem Maß verdichtet,
dass hier der Himmel, als „Hintergrund“, sich regelrecht wie die
benachbarte, sich überkreuzende Helmspitze in den Hals des Soldaten bohrt.
Der Zwischenraum ist niemals nur alleine Hintergrund.
Durch die markante Trennung einzelner Formelemente wird keine klare
Zuordnung der einzelnen Teile zu ihrer Funktionalität und ihrer Bedeutung,
bezogen auf das Bildganze, angestrebt. Es geht darum, die reale Erscheinung,
ähnlich wie in bleigefassten Glasmalereien, in Einzelformen aufzulösen und
wieder als ein Neues zusammenzufügen, nur die Kontur hält dann die Formteile
zusammen. Durchdrungen von einer Freude malt er ein buntes Puzzlespiel, in
dem er seine Visionen, Wünsche, Ängste und Hoffnungen immer wieder zu einem
neuen mosaikähnlichen Schaustück zusammenfasst.
Wittlich bedient sich aus allen möglichen Vorlagen. Auffällig sind
z. B. große Ähnlichkeiten zu Titelbildern der Bücher "Im Schlachtgetümmel
des Weltkriegs - Erzählungen aus dem Völkerkriege 1914/16. " von Georg
Gellert. Ihm ist dagegen nicht sonderlich wichtig, ob aus anatomischer Sicht
Personen und Gliedmaßen eindeutig zuordenbar sind, er malt nicht für den
Anatomiesaal. Im Zusammenspiel der Formen, Farben und ihrer Klänge ist er
nun der neue Autor, der nimmt was er braucht und was ihm gefällt. Er ist nun
noch einmal Schöpfer und Dirigent, nun in seiner eigenen Welt. Egal ob
jemand schon das Bild, das er nun als Vorlage verwendet, zu Ende gedacht
hat, er malt für sich, es ist seine Kunst, weit ab
von eitler Verkäuflichkeit.
Auch spielt die immer wiederkehrende Fahne bei Wittlich eine große
Rolle. Tapetenartig werden Fahnen oft in seine Bühne, in den Bildraum
gehängt, gliedern ihn, bilden mit ihrer Geradlinigkeit großflächige
ineinander verschränkte Spannungsfelder. Mit ihrer abstrakten Bedeutung
werden sie in seinen Bildern dann zu einem Synonym,
zu einer Metapher für das übergeordnete
Politische, für das Nationale, für das Symbol einer großen Gemeinsamkeit.
Offensichtlich keine größere Bedeutung haben in seinen Bildern die Füße,
d.h. der Bodenkontakt , wichtig dagegen die Hände und ihre Gestik. Seine
Gestalten verhalten sich wie Puppen oder Comicfiguren, scheinbar aufgepumpt,
nicht aufgeblasen, schwebend, wie bunte Luftballons, voller kreativer
Energie. „Echtes“ Blut braucht da nicht zu fließen.
Ein echter Künstler, der interpretiert, sich zwar die Motive mit ihrer
Farbgebung, Dynamik usw., also den gesamten formalen Bildaufbau anderswo
herholt, diese dann verwandelt und in das Schaufenster seiner eigenen Welt
einbaut. |
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Linkes Bild: 100 x 70 cm
Oben: Bierdeckel mit Zeichnung.
Unten: Nachruf im Mitteilungsblatt "Kannenbäckerland- Kurier"
der Verbandsgemeinde Höhr- Grenzhausen vom
Sept.1982
Externe Links:
Josef
Wittlich bei Wikipedia -->
Bilder von
Josef Wittlich bei Google -->
Literatur: Josef Wittlich.
Wachter, Bönnigheim 1996, ISBN 3-926318-20-1. |
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